Wirksamwerden

Die Willenserklärung wird wirksam mit Abgabe und ggf. Zugang

Die Willenserklärung kommt mit ihrer Abgabe zustande. Vorher ist sie als solche noch nicht existent. Die Abgabe ist sozusagen die Geburtsstunde einer Willenserklärung.

Zu unterscheiden ist zwischen empfangsbedürftigen Willenserklärungen (die zusätzlich den Zugang beim Empfänger erfordern) und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (die bereits mit Abgabe wirksam sind).

Beispiel: Wenn du ein Testament aufsetzt, ist es sofort wirksam. Anders bei einem Kaufangebot, dieses muss dem Verkäufer natürlich erst zugehen.

Abgabe

Eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist abgegeben, wenn sich der Erklärende willentlich geäußert und seinen Äußerungsvorgang nach außen erkennbar abgeschlossen ist.

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist erst abgegeben, wenn die Erklärung mit Willen des Erklärenden in Richtung auf den maßgeblichen Empfänger so in den Verkehr gelangt ist, dass mit Zugang gerechnet werden kann.

Problem: "Abhandengekommene WE"

Beispiel: Stefan möchte seinen Mietvertrag kündigen. Er schreibt also eine Kündigung und packt sie in einen an den Vermieter adressierten Umschlag und lässt sie auf dem Küchentisch liegen.

Stefans Mitbewohnerin entdeckt den Umschlag und wirft ihn in den Briefkasten um Stefan einen Gefallen zu tun.

Stefan hat es sich mittlerweile aber anders überlegt und will nicht mehr kündigen. Ist die Kündigung wirksam abgegeben?

In Fällen einer solchen "abhandengekommenen" Willenserklärung könnte man jetzt diskutieren, was für oder gegen eine Abgabe spricht (Privatautonomie vs. Schutz des Rechtsverkehrs). Auf der anderen Seite könnte man argumentieren, dass in diesen Fällen ggf. einfach der Erklärungswille fehlt, und ggf. einfach keine WE wirksam zustande gekommen ist.

Zugang unter Anwesenden

Hier sind die Parteien entweder am gleichen Ort oder telefonieren miteinander. Schriftliche Erklärungen werden wirksam, wenn sie dem Empfänger überreicht werden. Bei mündlichen Erklärungen ist das etwas komplizierter: Hier soll der Erklärende zwar alles dafür, dass ihn der Empfänger versteht. Aber der Empfänger muss auch dafür sorgen, dass er in der Lage ist, die Erklärung zu verstehen. Ein Zugang liegt daher auch dann vor, wenn die Erklärung nicht richtig verstanden wurde, der Erklärende aber annehmen durfte, richtig verstanden worden zu sein.

Zugang unter Abwesenden

Hier sind die Parteien nicht am gleichen Ort und sprechen auch nicht miteinander (zB. Brief oder eMail).

Nach der Abgabe muss die Willenserklärung dem Empfänger zugehen, sprich sie muss in den Machtbereich des Empfängers gelangen und dieser muss zumindest die Möglichkeit zur Kenntnisnahme haben und es muss unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen sein.

Beispiel_ Du wirfst ein Brief um 22 Uhr in den Briefkasten des Empfängers. Unter normalen Umständen ist hier erst am Morgen des nächsten Werktages mit Kenntnisnahme zu rechnen. Auch, wenn der Empfänger im Urlaub oder krank sein sollte.

Außerdem darf dem Empfänger vor oder gleichzeitig kein Widerruf zugehen.

Zugangsvereitelung

Beispiel_ Dein Vermieter will dich rausschmeißen und dir kündigen. Du weißt das, und damit die Kündigung nie ankommt schraubst du einfach deinen Briefkasten ab. Ist das eine gute Idee?

Grundsätzlich gilt: Der Empfänger muss Vorrichtungen für den Empfang von WE bereitstellen, wenn er den Zugang von Erklärungen erwartet. Wenn er dem nicht nachkommt, nennt sich das Zugangsvereitelung.

Ist diese Zugangsvereitelung vorsätzlich, wird der Zugang der WE fingiert. Die WE gilt also in dem Moment als zugegangen, wo sie ohne die Zugangsvereitelung zugegangen wäre.

Ist die Zugangsvereitelung fahrlässig, kommt es zu einer Rechtszeitigkeitsfiktion. Der Erklärende muss also einen zweiten Zustellungsversuch unternehmen. Geht diese Erklärung dann zu, wird so getan, als wäre diese Erklärung rechtzeitig zugegangen.

Botenschaft

Ein "Bote" überbringt eine fremde fertige Willenserklärung. Es kann zwischen Erklärungs- und Empfangsboten unterschieden werden. Wenn der Bote die Übermittlung schnell und richtig tut, entstehen keine Probleme. Andererseits sind folgende Komplikationen denkbar, wobei im Grundsatz gilt: Das Botenrisiko trägt immer derjenige, der den Boten einsetzt:

Der Bote übermittelt unrichtig

  • Bei Einsatz des Boten durch den Erklärenden wird die veränderte Erklärung dem Erklärenden zugerechnet. Dieser kann sie dann durch Anfechtung (120 BGB) beseitigen.

  • Bei Einsatz des Boten durch den Empfänger gilt die Erklärung erstmal so wie der Erklärende sie dem Boten übermittelt hat. Der Empfänger kann die Annahme gemäß 119 I BGB anfechten.

Auslegung einer Willenserklärung

In der Praxis werden Willenserklärungen häufig nicht so verstanden, wie sie erklärt wurden. In diesen Fällen muss die Willenserklärung ausgelegt werden. Hierbei ist nach der sog. "Empfangsbedürftigkeit" der Willenserklärung zu differenzieren.

  • Bei Nichtempfangsbedürftigen WE richtet sich die Auslegung nach 133 BGB. Es ist allein auf den Willen der erklärenden Person abzustellen.

  • Bei Empfangsbedürftigen WE richtet sich die Auslegung nach 133, 157 BGB. Es geht um die Frage: Wie durfte ein objektiver Dritter die Erklärung verstehen?

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